Montag, 21. November 2016

Der "politische" Islam - gibt es den überhaupt?

Während einer Veranstaltung über die "Erfolge in der Asylpolitik" erwähnte ein gut informierter und engagierter Teilnehmer die kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Leistungen des Islam in Süd-Europa vom 8. bis 15. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die Entwicklung Europas. Zum Ende seiner Ausführungen kam er auf den "politischen Islam" zu sprechen, der seiner Ansicht nach nicht zu Deutschland gehört. Wie schade, dass die anderen Teilnehmer sich dann nur darauf bezogen, aber nicht auf die wertvollen Dinge seines Kurzbeitrages.

Obwohl in den letzen Jahre weltweit ca. 7 Millionen Bücher über den "politischen Islam" erschienen sein sollen, bin ich der Meinung, dass es ihn ebenso wenig gibt wie das "politische Christentum"
 oder den "politischen Buddhismus". Der Begriff ist ein Monster, soweit würde ich dem Beitrag zustimmen, den die Zeit zum CSU Parteitag schrieb: Hier wird ein Monster kreiert..Es gibt ihn  erst seit wenigen Jahren und er hat auch keinen konkreten Inhalt.

Bei den grossen Religionen und philosophischen Systemen gibt es nur die Unterscheidung zwischen Esoterik und Exoterik. Hier die Unterscheidung zwischen "politisch und unpolitisch" einführen zu wollen, ist abwegig. Der politische Buddhismus z.B. ist eine Erfindung der Kommunistischen Partei Chinas, um die Tibetische Exilregierung politisch zu isolieren. Natürlich führen wir bei uns auch eine Diskussion über Christentum und Politik, aber selbst in RAF - Zeiten ist niemand auf die Idee gekommen, dass es ein politisches Christentum geben könnte. Selbst die Christen für den Sozialismus, unter Bismarck wg. ihrer Parteinahme für die Arbeiterbewegung  eingesperrt, die zu RAF  - Zeiten ein kleines Comeback erlebten - z.B. im Kreis um  Dorothee Sölle -,  haben niemals von einem politischen Christentum gesprochen. Die Katholische Kirche wendet sich gegen den Kampfbegriff politischer Islam und erinnert die CSU an den Offenen Brief von bayerischen Ordensleuten. Es ist eine Schande, dass die CSU in ihrem Leitantrag November 2016 gleich im ersten Satz den AfD -Vorstand vom April 2016 fast wörtlich zitiert: "Der politische Islam ist die größte Herausforderung unserer Zeit."

Eine Schande ist es deswegen, weil die kleine AfD der grossen CSU "das Stöckchen hinhält" und der grosse Seehofer drüberspringt: "Fein gemacht!" Es ist überhaupt kein Trost, wenn wir einsehen müssen, dass die AfD selbst Opfer der ISIS - Strategie geworden ist und in ihrer Dummheit das halbe Land mit sich gerissen hat. Es ist nämlich so: der ISIS will ein anti-islamisches Europa. Dieser Artikel wurde übernommen von der Gruppe  Egyptian Streets. Die wichtigsten Sätze lauten:

"Angenommen, der Angreifer wollte nicht gefasst, werden. Dafür, dass er seinen Pass während des Angriffs bei sich trug, müsste man ihm zum dümmsten Terroristen aller Zeiten erklären. Das ist er aber sicher nicht; es handelt sich um eine der am gründlichsten geplanten Terrorattacken, die Europa seit den Zugbomben in Madrid im Jahr 2004 getroffen hat."

Es stellt sich die Frage, wie wir in Zukunft provinzielle Pleiten des politischen Denkens vermeiden können, wie sie die Übernahme von Kunstworten des politischen Gegners darstellen. Die Kandidatur zu wichtigen politischen Mandaten sollte an die Absolvierung eines Intensivkurses in lingustischer Rhetorik gebunden werden. Dann würden unsere Politiker nicht mehr auf rhetorische Tricks hereinfallen, die der erwähnte J.L. Austin "inexplicit perfomative utterances" nennt - vgl. den Leitartikel "Willkommen auf Joethes Blog" - , vom Voksmund aber treffender als Volksverhetzung bezeichnet wird.


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