Freitag, 2. Dezember 2016

Was hat hohe Mathematik mit hoher Politik zu tun ?

Den meisten sind die Unvollständigkeitssätze von Kurt Gödel bekannt. Weniger bekannt sind die verwickelten Beziehungen seiner Sätze zu den "ersten und letzten Dingen" in der Politik, zu den Fragen von Demokratie und Diktatur. Dazu gibt es eine amüsante Geschichte über Einstein und Gödel, die von Palle Yourgrau erzählt wird. In seinem Buch Gödel, Einstein und die Folgen wird berichtet, was bei Gödels Einbürg-erung 1947 in die USA geschah und was das alles mit der amerikanischen Verfassung und Demokratie und Diktatur zu tun hat.

Gödel konnte sich von Wien nicht lösen, obwohl die NSDAP ihm 1938 seine Dozentur in Wien genommen und ihm auch jede andere Anstellung verweigert hatte. Er hatte davor verschiedene Reisen in die USA unternommen, aber bis 1940 trotz anti-semi-tischer Pöbeleien nicht an Emigration gedacht. Seine wissenschaftlichen Kontakte in den USA (Flexner, von Neumann, Schilpp) halfen ihm, eine Arbeit beim Institute of Advanced Studies in Princeton zu bekommen, wo er sich später auch mit Einstein anfreundete. Das o.a. Buch trägt den Untertitel "Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft". Die beiden trafen sich täglich auf dem Heimweg und sprachen in ihrer Muttersprache über Politik und die allgemeine Relativität.

Gödel und Einstein in Princeton
Einstein bevorzugte Adlai Stevenson als nächsten Präsidenten, Gödel - zum Schrecken Einsteins - dagegen Eisenhower. So wurden beide auch zwangs-läufig mit beiden Präsident-schaftskandidaten bekannt.

Von Gödel wird kein direkter Beitrag zu den Kriegsbe-strebungen der Alliierten berichtet, aber nach Kriegsende hat er sich als Helfer bei der Flugabwehr beworben, bestätigte auch in aller Form seine Bindung an die Vereinigten Staaten und stellte 1947 einen Antrag auf Einbürgerung. Ab hier nun Palle Yourgrau's ebenso amüsanter wie nachdenklicher Text:
Als Zeugen für die Zeremonie benannte er Morgenstern und Einstein. Ersteren hatte er bereits in helle Aufregung versetzt, als er ihm bestürzt mitteilte, er habe in der Verfassung eine "Inkonsistenz" gefunden. Von Morgenstern von der drohenden Gefahr in Kenntnis gesetzt, übernahm Einstein die Aufgabe, seinen Freund auf dem Weg zur Anhörung von seinen Überlegungen abzulenken, indem er ihn mit abgedroschenen Witzen und alten Anekdoten unterhielt. Noch besorgter wäre Einstein vermutlich gewesen, wenn er gewusst hätte, dass das FBI seit Jahren Teile von Gödels Korrespondenz mit seiner Mutter in Wien abfing und las.
Die Strategie war nicht sehr erfolgreich. Als Richter Philip Forman, der nur wenige Jahre zuvor Einstein selbst "ins gelobte Land der Freiheit" verholfen hatte, Gödel nebenbei fragte, "Glauben Sie, dass in den Vereinigten Staaten jemals eine Diktatur wie in Deutschland entstehen könnte?", erhielt er von Gödel ein beflissenes Ja zur Antwort. Gödel verbreitete sich in ausführlichen Worten darüber, dass die amerikanische Verfassung eine solche Entwicklung formal ohne weiteres zulasse. Der Richter war jedoch klug genug, ihn zu unterbrechen, bevor er sich um Kopf und Kragen redete, und die weitere Anhörung nahm einen friedlichen Verlauf, wobei es Gödels neuer Heimat selbst überlassen blieb, gegen die Lücke vorzugehen, die dieser in den Verfassungs-grundsätzen ausgemacht hatte.
Als er Jahre später nach einer juristischen Analogie für seinen Unvoll-ständigkeitssatz gefragt wurde, erläuterte er, dass ein Land, das sich ganz und gar auf die Buchstaben seines Gesetzes verlasse, einer Krise, die in seinen Gesetzeswerken nicht vorgesehen worden sei, völlig hilflos gegenüberstehen könnte. Das Analog seines Unvollständigkeitssatzes - angewandt auf das Gesetz - würde garantieren, dass es für jedes Verfassungs- oder Gesetzeswerk, mag es auch noch so ausführlich und vollständig ausformuliert sein, stets Urteile gebe, die durch die Buchstaben des Gesetzes "nicht entschieden" werden könnten.
a.a.O. Kapitel 6: Unter Halbgöttern, Abschnitt: Noch einmal U-Boote, S. 118
Die Amerikaner haben keine Kraft mehr gehabt, die Lücke in ihren Verfassungs-grundsätzen zu schließen. Der einzige Präsident, der dazu in der Lage gewesen wäre, war JF Kennedy und der wurde ermordet. Viele sehen den entscheidenden Grund dafür in seiner Rede vor der American Newspaper Publishers Association am 27. April 1961, in der er tatsächlich Ernst machen wollte mit der Bekämpfung von Geheimbünden.

Uns, die Rechtsnachfolger des "Dritten Reiches", macht das sehr besorgt. Wir haben die Auswirkungen der Thule - Gesellschaft erlebt und erleben Vergleichbares nun in den Teilen Europas, die einst zur Sowjetunion gehörten oder in ihrem direkten Einflussbereich lagen. Darüber hinaus hat es den Anschein, dass auch die Vorgänge beim Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den USA ohne den Einfluss mächtiger Geheimgesellschaften so nicht hätten stattfinden können.

Die Amerikaner empfinden das nicht als ungewöhnlich. Zum Beispiel kandi-dierten George W. Bush für die Republikaner und John Kerry für die Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf 2004. In der TV - Reihe "Meet The President" plauderten beide zwanglos über ihre Mitgliedschaft im Geheimbund "Skull and Bones". Hier ist ein amüsanter Zusammenschnitt,  in dem beide ihre Mitgliedschaft bestätigen, aber die Frage nach Einzelheiten lachend abwehren: "...  because it is secret ..."




George W. Bush gewann damals seine zweite Amtszeit und John Kerry ist heute noch  - Dezember 2016 - Außenminister in der Administration von Barack Obama. 

Wir wurden daran gewöhnt, diesen Dingen besser nicht auf den Grund zu gehen, damit wir nicht als Verschwörungstheoretiker bezeichnet werden können. Allerdings sollte man die Erkenntnis des großen Goethe nicht unterschätzen:
Es gib bedeutende Zeiten, von denen wir wenig wissen, Zustände, deren Wichtigkeit uns nur durch ihre Folgen deutlich wird. Diejenige Zeit, welche der Same unter der Erde zubringt, gehört vorzüglich mit zum Pflanzenleben.   
Goethe, Materialien zur Geschichte der Farbenlehre, 1810

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