Donnerstag, 14. September 2017

US-Vatikan Beziehungen in einer post - amerikanischen Welt

US-Vatican relations in a post - Ame-rican world


Teil 1 / Part 1

"Der kirchliche Graben zwischen dem Papst und den Vereinigten Staaten wird so lange existieren wie der geopolitische, vielleicht noch  länger. Zwischen dem Vatikan und der Trump - Administration gibt es ein deutliches und unbestreitbares Zerwürfnis über eine lange Reihe von Streitfragen." Diese Einschätzung des LaCroix International, würde einige neuere Entwicklungen der US - Politik erklären, die der rein politisch - ökonomischen Sichtweise unverständlich bleiben.

Donald und Melania Trump in der Sixtinischen Kapelle
LaCroix International ist die führende unabhängige Tageszeitung der Katho-liken in Europa, vermutlich die weltweit führende. Sie wird von der französischen Bayard Press herausge-geben, deren einziger Aktionär eine Augustiner - Kongregation ist, was als Garantie für ihre Unab-hängigkeit gesehen wird. 

Der Vatikan ist heute ein "globaler metapolitischer Akteur".  Unter Papst Franziskus verzichtet er auf die Entwicklung einer "Westpolitik". Er sieht die Welt aus der Perspektive des Südens. Darauf können sich die alternativen Rechten in den USA bisher nicht einstellen. Das erklärt vielleicht ihre aggressiven,  konzeptlosen Demarchen, Einflussnahmen und Spaltungsversuche. Leider bleiben sie nicht ohne Einfluss auf  die politischen Szenen in Deutschland bzw. Europa.


Artikelserie: Eine neue Westpolitik des Vatikan ?


Das komplexe Thema wird in einer Serie von Beiträgen abgehandelt. Dabei geht es um die Versuche amerikanischer ultra - rechter Kreise, die katholische Kirche unter Papst Franziskus zu spalten. Folgende Themen sind u.a. angedacht:
  • Stephen Bannon, sein Mentor Julius Evola, sein Sponsor Robert Mercer
  • Kardinal Burke und der Malteserorden
  • Die Kardinäle Cordes, Caffara, Meisner, Brandmüller
  • Der seltsame Benedikt - Komplex
Ferner werden wichtige Fragen beantwortet: Warum ist der Vatikan so wichtig für die Amerikaner? Wie wehrt der Vatikan die Spaltungsversuche ab?
  • Die "Ökumene des Hasses"
  • Die Civiltà Cattolica
  • Die deutschen Theologen
Zunächst soll jedoch der Hintergrund ausgeleuchtet werden:

Der Vatikan als globaler metapolitischer Akteur


Johannes Paul II (1978 - 2005)


Einen ersten Einstieg in das Thema bietet die Bundeszentrale für politische Bildung: Der Vatikan als Global Player Der Aufsatz ist ein crash - Kursus für Nicht - Historiker, der  2005 abbricht. Nach einem äusserst kurzen Rückblick auf 2000 Jahre wird der Fokus auf Papst Johannes Paul II. (Karol Wojtyla) gelegt, auf seine unabhängige Haltung gegenüber den politischen Blöcken.

Sowjetunion / Russland:
"Am Ende des Zweiten Jahrtausends hat der Bischof von Rom einen entscheidenden Anteil am Ende des Staatsatheismus der sowjetischen Ära gehabt. An die Stabilität der europäischen Nachkriegsordnung hatte der Krakauer Erzbischof - ganz im Gegensatz zu sozialdemokratischen Entspannungspolitikern oder gar protestantischen Weltkirchenräten - niemals geglaubt. Wojtyla wusste aus eigener pastoraler Erfahrung, dass der Kommunismus innerlich am Ende war. Als Papst hat Wojtyla darum die freie Gewerkschaft und polnische Nationalbewegung Solidarnosc moralisch gestärkt und zugleich die Politik des "runden Tisches" von Regime, Kirche und Opposition gefördert."
USA:
"Wenn es eine globale Stimme gegen Amerikas letzten Golfkrieg gab, dann war dies 2003 - wie schon 1991 - das Wort des Heiligen Vaters: "Der Krieg ist eine Niederlage der Menschheit!" Zwar lehnten die Spitzen der katholischen Hierarchie keinesfalls jede kriegerische Antwort auf den neuen islamistischen Terrorismus ab. Der Einsatz in Afghanistan wurde auch im Vatikan mehr oder minder offiziös als westliche Selbstverteidigung nach "9/11" verstanden. Doch Staatssekretär Kardinal Angelo Sodano und sein damaliger "Außenminister", der französische Diplomat Jean-Louis Tauran, glaubten nicht an eine unmittelbare Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen. Ein amerikanisch - britischer Angriff auf Bagdad könnte daher nur katastrophale Ergebnisse zeitigen." 
Islamische Länder:
Dass Johannes Paul II. seit Jahrzehnten eine "Neue Ostpolitik" gegenüber islamischen Ländern und Kulturen verfolgt, wird im Westen häufig über-sehen. Im Sportstadion von Casablanca predigte er 1985 vor Zehntau-senden von muslimischen Jugendlichen. Die Haltung des Heiligen Stuhls in den jüngsten Konflikten am Golf und auch in der Bosnien-Krise hatte eine Reihe von Berührungspunkten zur islamischen Welt - weit eher als mit der Haltung des U.S.-State-Department. Ein wichtiges politisches wie religiöses Signal war der Besuch des iranischen Staatspräsidenten, schiitischen Mullahs und gemäßigt islamistischen Intellektuellen Sejjed Muhammad Chatami im März 1999 beim Papst. Beide, der Papst und Chatami, hofften "auf den Endsieg des Monotheismus, der Ethik und Moral, des Friedens und der Versöhnung".


Benedikt XVI (2005 - 2013)


Unter Benedikt XVI  geriet der Vatikan ins Visier von WikiLeaks und dessen russischen Zulieferern, die seine Rolle überhöhten: der Vatikan wurde nun zum "Key Global Player" befördert; eine zweischneidige Angelegenheit, weil die Leaks sich zunächst mit sexuellen Missbrauch
WikiLeaks cables show Vatican as horrified by Irish clergy's sex abuse
und  erst später mit entschlüsselten Telegrammen der US - Botschaft beim Vatikan, dem leistungsfähigen Diplomatischen Dienst des Vatikan und seiner hohen Wertschätzung durch US - Diplomaten beschäftigten:
Vatican emerges from WikiLeaks as a key player on global scene 
Über die Gründe von Benedikts Rücktritt ist schlimmer Unsinn geschrieben worden, u.a. ein homosexuelles Netzwerk im Vatikan sei es gewesen, Präsident Obama hätte ihn zum Rücktritt gezwungen, wie die AfD gesteuerte "Freie Welt" noch im März 2017 verbreitete. Die AfD hat sogar die Trump - Administration um eine diesbezügliche Untersuchungskommission gebeten.
Wurde Papst Benedikt XVI. von Obama zum Rücktritt gezwungen?
Die offizielle Erklärung für den Rücktritt wird auch heute noch von Benedikts ehemaligem Sekretär Georg Gänswein aufrecht gehalten, es seien die päpstlichen Reisen nach Kuba und Mexiko im März 2012 gewesen, die den Leibarzt zu seinem ernsten Rat veranlasst hätten. Die Entscheidung zum Rücktritt wäre "Monate vor dem 11. Februar 2013" (Rosenmontag) gefallen:
Sekretär Gänswein erzählt vom 11. Februar 2013 
Man darf aber mit der FAZ annehmen, dass nach diesen Reisen das vergiftete Klima im Vatikan im Zusammenhang mit den sog. VatiLeaks die Belastung des 85 - Jährigen verstärkt hat: u.a. wurde der Kammerdiener des Papstes am 23. Mai 2012 verhaftet, weil er im Auftrag "hoher Kleriker" Dokumente "vom Schreibtisch des Papstes" kopiert und an Journalisten weitergegeben hatte. Es war von vier Aktenordnern die Rede, darunter Finanzberichte der Vatikanbank. Die u.a. Links zur FAZ Online führen zu einer sehr gut informierten 7-teiligen Artikelserie über Einzelheiten und Hintergründe der VatiLeaks.
Brutal im Vatikan
Jagd auf die Raben

Franziskus (Wahl am 13. März 2013)

Es sei dahingestellt, ob das Zweite Vatikanische Konzil mit seinem "Verzicht auf kirchliche Machtansprüche" dem Vatikan den Weg zum "globalen metapolitischen Akteur" freigemacht hätte - wie die Bundeszentrale für politische Bildung meint - oder ob andere Faktoren entscheidender waren. Wichtiger ist die Frage, wie sich diese Rolle nach dem nicht ganz freiwilligen Rücktritt des deutschen Papstes verändert. Auf alle Fälle hat eine neue Epoche in der katholischen Kirche begonnen. Es wurde ein Papst gewählt - schon am zweiten Tag des Konklaves (!)  mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit - , der aus der sehr lebendigen latein-amerikanischen Tradition und ihrer engen Verbindung mit dem Jesuitenorden kommt. Die revolutionären Jesuitenreduktionen des 17. und 18. Jahrhunderts -
vgl. unter vielen anderen die  Geschichte der Jesuiten in Paraguay 
oder die bekannteste Verfilmung des Stoffes mit Jeremy Irons und Robert de Niro in den Hauptrollen: Mission 
- werden in einigen kirchlichen Kreisen heute auch noch argwöhnisch betrachtet. Obwohl die Reduktionen seit vielen Jahren zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören, klebte der Geruch des kommunistischen Jesuitenstaates noch in den 70er Jahren an der Theologie der Befreiung, die zu dieser Zeit in Lateinamerika entstanden war und sich schnell nach West - Europa ausbreitete und auch Teile der USA,  Afrikas und  Asiens erfasste. Johannes Paul II.  wollte diese Theologie ausrotten, weil er in ihr das Einfallstor des Kommunismus in die Kirche sah, was er niemals dulden konnte, wenn er seine Mission der Überwindung des Kommunismus nicht verraten wollte. Derselbe Geruch hing dem neuen Papst Franziskus an, wie im Übrigen dem gesamten lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM
vgl. Francis and the essence of CELAM's concluding document, auf den später eingegangen wird.

Aber den Kommunismus gibt es nicht mehr, auch nicht mehr in China oder Korea. Es fehlt das Feindbild, an dem sich die übriggebliebenen erzkonservativen Kardinäle unter einem "emeretierten Papst" einen könnten, der täglich im weißen Gewand eines Papstes, das nur der amtierende Papst tragen darf, in seiner Wohnung und in seinem Garten in den Mauern des Vatikan wandelt. So entstand im Vatikan neben dem neuen Papst und seiner Administation ein - wie man "cum grano salis" (mit einem Körnchen Salz) sagen könnte - "konter - revolutinäres Vakuum".

In dieser Umgebung mussten Papst Franziskus und seine Mitarbeiter - sowie die Kardinäle, die ihn gewählt haben, und die aus den randständigen Gebieten inzwischen ernannten Kardinäle - der Kirche einen neuen Weg weisen, der  deutlich nach "Süden" zeigt, in die Zonen der menschlichen Entwicklung, wo die Probleme entstanden sind, von denen der "Norden" sich bedroht fühlt. Der Charakter dieser Entwicklung und ihre Folgen für die Beziehungen des Vatikan zu den USA werden im nächsten Artikel beleuchtet.


4 Kommentare:

  1. Das ist ein wichtiges Thema, aber der Beitrag kratzt nur ein wenig an der Oberfläche. Die Beziehungen des Vatikan zu Amerika sind viel älter und intensiver gewesen. Z.B. soll Pius XII. geplant haben, den Vatikan nach Amerika zu verlegen. Dafür habe ich aber noch keine zuverlässige Quelle gefunden.

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  2. Sie haben recht, denn es gibt ganze Bibliotheken darüber. Einiges werde ich im nächsten Beitrag darüber schreiben. Aber Ihr Hinweis auf Pius XII ist außerordentlich, das können nur wenige wissen. Der sehr gut informierte Edward Jay Epstein hat darüber eine Zeile in seinem Buch "Who killed God's Banker?"

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  3. Erklären Sie mir bitte, was ein "konter-revolutionäres Vakuum" sein soll? -Ansonsten finde ich den Beitrag recht ordentlich.

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  4. Ein Vakuum ist ein luftleerer Raum, er kann nur implodieren und sich selbst vernichten. Ein Raum mit hohem Gasdruck kann explodieren und andere Dinge & Personen vernichten. Konter - revolutionäre Sprengkörper waren z.B. die deutschen Nationalisten, vielleicht auch die Alt-Right - Bewegung, die Donald Trump an die Macht brachte.
    Warum ich den "emeritierten Papst" und seine Umgebung für "gegenrevolutionär" halte, werde ich in einem Folgebeitrag erläutern.

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