Freitag, 10. November 2017

Ist Spaniens Krise eine Chance für Europa?

Is Spain's crisis Europe's opportunity?



Teil 3 / Part 3

Viele Deutsche haben schon  von dem Buch - Bestseller "My dear Krauts" gehört, kennen vielleicht den Namen seines Autors, Roger Boyes. Er mag die Deutschen, hat über sie einige liebenswürdige Bücher geschrieben. Die Älteren fühlen sich an den beliebten Mr Pumpernickel erinnert, einen anderen Briten, etwas schrullig, aber stets witzig, freundlich, an Chris Howland, der für die britisch - deutsche Aussöhnung ab 1960 unverzichtbar war.

Natürlich besitzt Boyes auch desssen charmanten Witz. Seine ernstere Seite ist einigermaßen verblüffend: er ist "diplomatic editor" bei der TIMES. Klingt geheimnisvoll, ist es wahrscheinlich auch, denn die TIMES war immer schon ein diplomatischer Umschlagplatz zwischen der Welt und dem britischen Außenministerium und seinen Infor-mationsdiensten. Im Netz sind Angaben über seine Person erstaunlich dünn.

Warum wird er an dieser Stelle in Zusammenhang gesetzt mit Yanis Varoufakis, dem ehemaligen Finanzminister Griechenlands, und Guy Verhofstadt, dem ehemaligen Premier von Belgien und heutigen Europa - Abgeordneten? - Es ist ihr leidenschaftliches Engagement für das Projekt Europa, ihr großes Wissen über Europa. "Die EU demokratischer zu machen, ist die einzige Möglichkeit, die nationalistische Welle zurückzudrängen, die das europäische Projekt eigentlich verhindern sollte." Damit endete der letzte Teil.


Junker ist blind für die Zersplitterung der EU


Der kurze Text wurde ausgesucht wegen seiner Prägnanz und weil er nach seiner Veröffentlichung in der TIMES am 25. Oktober 2017 über 500 mal kommentiert wurde. Er hat einen Nerv berührt. Der Kommentar einer Person, die die "Krone Kastiliens" als Pseudonym benutzt und gute historische Kenntnisse hat, wird am Ende kurz besprochen. 
Juncker is blind to the splintering of the EU
[ Persönliche Bemerkung: Ich habe immer großen Respekt vor Jean-Claude Juncker gehabt. Boyes geht nicht zimperlich mit ihm um. Wenn ich seinen Text bespreche, ist eine persönliche Herabwürdigung des Präsidenten der Europäischen Kommission nicht beabsichtigt. ]
Im Folgenden wird der Text komplett übersetzt. Der Untertitel lautet:

Der selbstzufriedene Präsident hat nicht bemerkt, dass die europäische Solidarität vor seinen Augen kollabiert


Das letzte Mal, dass Europa in Großbritannien eine solche Schwäche erlebte, war, als Charles de Gaulle sich für die Hegemonie des Kontinents einsetzte und uns den Weg zu einem gemeinsamen Markt versperrte. Sogar dieses gewaltige gallische "Non!" verblasst neben Jean-Claude Junckers Politik der kalkulierten Brüskierung, wenn er versucht, die Premierministerin durch Einschüchterung und Verwirrung zu einem Brexit-Deal zu zwingen, der die EU-Steuerzahler befriedigt, aber ihre Regierungen im Wind flattern lässt.

Ein weniger kleingeistiger Chef der Europäischen Kommission hätte spätestens jetzt die wirklichen Gefahren bemerkt, denen sich die Union gegenüber sieht. Er bildet sich ein, die populistische Herausforderung an das Brüsseler Establishment sei unter Quarantäne gestellt worden. Geert Wilders 'Partei für die Freiheit ist die zweitstärkste im niederländischen Parlament, aber nicht in der Regierung; Emmanuel Macron überlistete Marine Le Pen; Angela Merkel bezahlte den Preis für die Einreise von Hunderttausenden von Migranten, aber Deutschland ist noch weit davon entfernt, den Piloten fallen zu lassen. Problem gelöst? Kaum.

Europa ist unruhig und zersplittert. Tschechische Politiker, die unter der Herrschaft Junckers verprellt wurden, lassen jetzt den alten Traum von Europa beiläufig fallen. Der Gewinner der Wahl am letzten Wochenende war Andrej Babis, ein Geschäftsmann und Führer einer populistischen Herausforderung gegen das Establishment. Er ist gegen den Beitritt zum Euro, gegen eine stärkere Integration, gegen EU-Quoten für Migranten und könnte dennoch in einer Koalition mit einer Partei enden, die den Czexit will.

Junckers Rede über den Zustand der Union im letzten Monat triefte vor Selbstgefälligkeit. Die europäische Zukunft, die er vorschlug, war eine Währung, eine Armee und ein Präsident. Dazu sagen die Mitteleuropäer: Nein danke. In der Woche vor den tschechischen Wahlen stimmten die Österreicher für einen 31-jährigen Konservativen, Sebastian Kurz, der durch Nachahmung der harten Einwanderungspolitik der Rechten die Wählerstimmen abschöpfte. Und es sieht so aus, als müsste er die Freiheitspartei in seine Regierungskoalition aufnehmen, die er so gewissenhaft kopiert hat.

In Ungarn verheimlicht der Premierminister Viktor Orban seine Verachtung für Junckers Führung nicht. In Polen erwarten Insider im kommenden Monat eine Umbildung, die einen noch euroskeptischeren Außenminister hervorbringen wird, und vielleicht wird der Pate des polnischen Nationalismus, Jaroslaw Kaczynski, den Posten des Premierministers übernehmen.

Inzwischen planen die Katalanen eine Kampagne des zivilen Ungehorsams gegen Madrid, um die Sympathien der normalen Europäer und nicht Junckers Sympathien zu gewinnen. Venetien und die Lombardei, die reichsten Regionen Italiens, haben gerade für eine weit größere Autonomie von Rom gestimmt. Wie Katalonien fordern sie die Kontrolle über die von ihnen erhobenen Steuern.

Der Aufstieg der populistischen Bewegungen und der Separatisten verdeutlicht das Problem, das Juncker verdrängt: Der Populismus entsteht nicht allein aus einer Revolte der Zurückgebliebenen. Die bisherige Antwort der Kommission bestand darin, mehr in Infrastrukturen in benachteiligten Regionen zu investieren, um die Beschäftigung anzukurbeln und sicherzustellen, dass sie weiterhin für den Mainstream stimmen. Juncker weiß, wie das geht, und es gibt in der Union viele regionale Top-Mitglieder, die immer noch auf ihn schwören, so wie einige Ortsverbände in der Fifa Sepp Blatter die Treue gehalten haben.

In der Tat ist das Kernproblem der Zusammenbruch der Solidarität innerhalb der EU. Die Union wurde als Reaktion auf zwei entsetzliche Kriege des 20. Jahrhunderts geschmiedet, die in Europa mehr als 80 Millionen Menschenleben forderten. Ihr Fortschritt wurde durch einen gemeinsamen Feind, die Furcht vor dem Sowjetkommunismus, unterstützt, und sie war sowohl aus Idealismus als auch aus der Notwendigkeit entstanden, Deutschland zu stärken.

Die meisten dieser zusammenhängenden Elemente fallen weg. Es wurde ausdrücklich anerkannt, dass der wohlhabende Norden die ärmeren südlichen Randgebiete unterstützen sollte. Helmut Kohl wurde zum dominanten Spieler in der EU, zum Teil wegen seiner Unterstützung von Führungspersönlichkeiten wie Felipe Gonzalez in Spanien. Er war bereit, die deutsche Macht zu nutzen, um den Süden zu modernisieren. Die Stimmung änderte sich nach der Bankenkrise 2008, als der Norden zu Gläubigern und der Süden zu Schuldnern wurde. Die Beziehung zwischen den beiden Hälften des Kontinents wurde vergiftet. Griechenland wurde ausgepresst, bis die Olivenkerne quietschten.

Und es gibt konkurrierende Solidaritäten. Madrid sagt, dass Barcelona den weniger wohlhabenden Regionen Spaniens helfen soll. Die katalanische Führung sagt, dass sie den katalanischen Wählern verantwortlich ist und Spanien für jeden Beitrag dankbar sein soll. Die prosperierenden Provinzstädte wie Barcelona und Mailand stehen in ständigem Spannungsverhältnis zu ihren Hauptstädten und zu Brüssel.

Bei der Masseneinwanderung nach Europa liegt die Spaltung zwischen denen, die glauben, dass es eine weltweite Verpflichtung gibt, Flüchtlinge aufzunehmen, und jenen Staaten, die ihre eigenen Gemeinschaften an die erste Stelle setzen.

Polen, Ungarn und die Tschechische Republik sind der EU beigetreten, weil sie glaubten, dass dies der Weg in die Moderne und ein Gegenmittel gegen die Korruption ihrer eigenen politischen Eliten wäre. Das Beharren Brüssels darauf, dass jeder Mitgliedsstaat [Einwanderungs-] Quoten aufnehmen soll, war ein Moment der Ernüchterung. Jetzt gewinnen die nationalen Regierungen von Polen und Ungarn große Mehrheiten, weil sie Brüssel eine lange Nase drehen.

Tag für Tag schmilzt Junckers Autorität. Die EU hat Spannungen entlang der Nord-Süd-Achse der Eurozone, der Osten gegen den Westen, russische Falken gegen russische Tauben im noch ungelösten Krieg in der Ostukraine. Niedergang und Fall der EU sind nicht unausweichlich, obwohl die Geschichte zeigt, dass Bündnisse mit einem Ungleichgewicht zwischen Zentrum und Peripherie in Zeitnot geraten. Was wird der entscheidende Punkt sein: das Versagen, die EU-Außengrenzen zu garantieren, die schleichende Erosion der Schengen-Zone, das Ende der gemeinsamen Währung, ein Wiederaufleben der Gewalt auf dem Balkan? Juncker selbst scheint es nicht zu wissen und das sollte uns alle beunruhigen.



Kommentar der "Krone Kastiliens" 


Der Kommentar vor Sanchez de Tovar, eines Pseudonyms aus dem 14. Jhd., dessen Träger offenkundig im UK lebt,
Krone Kastiliens: Fernando Sanchez de Tovar
spricht einen Aspekt an, der mir entgangen war, nämlich die Rolle der Briten bei der Ost - Erweiterung der EU. Jedem war doch damals schwindlig, weil klar war, dass die 10 neuen Mitglieder die notwendigen Garantien nicht leisten konnten. 

Sanchez de Tovar 26. Oktober 2017
Es war das Vereinigte Königreich, das die EU gezwungen hat, diese Länder in der EU zuzulassen, weil das Vereinigte Königreich billige Arbeitskräfte haben wollte. Denken Sie daran, dass ein polnischer Zahnarzt kostenlos hierher kommt, das Vereinigte Königreich hat einen Zahnarzt, ohne für seine Ausbildung bezahlt zu haben. In den Worten der Brexiteure sind sie "Nettozahler", sie haben dem britischen Steuerzahler keinen einzigen Cent gekostet. Sie verlangen weniger als ihre britischen Kollegen, was eine gute Sache ist, da sie Zahnbehandlungen für arme Menschen erschwinglicher machen. Es ist eine Win-Win für alle. Sie sind normalerweise besser und aufmerksamer als britische Zahnärzte, also haben wir diesen Vorteil auch noch.

Ausblick


Im nächsten Teil wird eine Einschätzung versucht.

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