Samstag, 10. Juni 2017

USA Prof. Lichtman: Ist Donald Trump ein Verräter?

U.S. Prof. Lichtman: Is Donald Trump a Traitor?




Der Geheimdienst - Ausschuss des US - Senats, das Senate Intelligence Committee hatte in dieser Woche die ganze Welt zu Gast, virtuell und nur bei den öffentlichen Sitzungen. Daniel Coats (DNI), Andrew McCabe (FBI), Michael Roger (NSA) und Rod Rosenstein ( stellv. Jusitzminister) wurden am 07. Juni 2017 und tags darauf James Comey (gefeuerter FBI - Direktor) als Zeugen befragt. Ein Beweis dafür, dass "Amerika eine erwachsene Demokratie" ist, wie Comey am Ende seiner Aussage hervorhob. Ob er glaube, dass Trump ein Verräter ist, wollte Comey nur in der geheimen Sitzung beantworten - vgl. Comey refuses to publicly answer wether he believes Tump colluded with Russia.

Deutsche Ausgabe 1968
"Ein russisches Damoklesschwert hängt über Trumps Kopf, aufgehängt  an einem langsam abrollenden Faden. Wenn es fällt, ist seine Präsidentschaft vorbei. Weder Republikaner noch Demokraten im Kongress werden einen kompromittierten oder verräterischen Präsidenten tolerieren. Anklage und Gerichtsverfahren werden schnell und entschlossen sein." Das schrieb Prof. Lichtman in seinem berühmten Buch The Case for Impeachment. Die Dinge sind aber leider nicht so einfach, weil die Hauptrolle in der ganzen Affäre von Geheimdiensten gespielt wird.

Es gibt eine historische Parallele, die den Regierungen und Geheimdiensten der Briten und Amerikaner so peinlich war, dass sie drei wirkliche Meisterspione - bessere als Trump, Flynn, Manafort usw. - jahrelang im Verdacht hatten und sie laufen ließen, weil sie nicht glauben konnten oder wollten, dass sie Verräter sind. Ausseminister Macmillan hat einen (Kim Philby) öffentlich verteidigt, ihn aber hinter vorgehaltener Hand angefleht: "Kim, sag uns, dass du unschuldig bist."

Das schreibt John Le Carré im Vorwort des Buches PHILBY. Macmillan und der Premier Heath haben ganz ähnliche Worte zur Verteidigung der Spione benutzt, wie sie vor wenigen Tagen noch von Speaker Paul Ryan zur Verteidigung von Donald Trump benutzt wurden.

Lichtman über den Verrat und seine Auswirkungen


Verrat, sagt Lichtman im Kapitel über die Russland - Verbindungen, gehört zu den ernstesten und doch am wenigsten verbreiteten Verbrechen. Der letzte amerikanische Staatsbürger, der wegen Verrat verurteilt wurde, war Mildred Gillars, die berüchtigte "Axis Sally", die von den Nazis bezahlt wurde, um antiamerikanische Propaganda während des Zweiten Weltkrieges zu verbreiten. Staatsanwälte hätten nie einen Amtsinhaber der US -Regierung wegen Verrat angeklagt, nicht einmal Richard Nixon, der zurücktrat und amnestiert wurde, lange bevor es einen Beweis dafür gab, dass er den Friedensprozess in Vietnam während seines Wahlkampfs 1968 sabotierte. Aber Trump hätte mindestens gute Chancen, der erste amerikanische Präsident zu werden, der wegen Verrats oder Beihilfe angeklagt wird. 
[Bei meiner Besprechung des Buches hatte ich das Kapitel über die "Russian Connection" nicht erwähnt, weil die Dinge noch im Fluss sind und die Medien ausführlich berichteten. Vgl auf diesem Blog Lichtman "Das Impeachment"   ]
Wenn der Verdacht zuträfe, dann könnte es ein gewisses Maß an Absprache zwischen Trump oder seinen Agenten und einer ausländischen Macht geben, um direkt die Ergebnisse einer amerikanischen Wahl zu manipulieren. Trump könnte wegen Verrat angeklagt werden, wenn die Untersuchungen zeigen, dass unter seiner Führung Mitglieder seiner Wahlkampagne mit russischen Führern konspiriert haben. Er könnte mit der Billigung des Verrats belastet werden (unterlassene Meldung konspiratorischen Verhaltens), wenn herauskommt, dass er über solche Mittäterschaft Bescheid wusste, aber das Verbrechen nicht meldete. Er könnte auch im selben Fall wieder mit Verrat belastet werden, dass die Russen ihn mit kompromittierenden Informationen erpresst haben. Und man dürfe das Logan-Gesetz nicht vergessen, das Privatleuten die Einmischung in die internationalen Beziehungen Amerikas verbietet
 
Unabhängig von dem Ergebnis der laufenden Untersuchung hätte Vladimir Putin mit der tatkräftigen Hilfe von Donald Trump bereits sein primäres Ziel erreicht, die amerikanische Demokratie und die Solidarität der freien Welt zu zerrütten. Er hat , so Lichtman weiter, Zweifel an der Legitimität der Präsidentschaftswahl Amerikas gesät und die Amerikaner dazu gebracht, die demokratischen Verfahren ihrer Nation und ihre freie Presse in Frage zu stellen. Er hat die gemeinsamen Werte und Bündnisse geschwächt, die seit dem Zweiten Weltkrieg die Freiheit auf der ganzen Welt bewahrt und geschützt haben.

Lichtman gibt noch einen Hinweis auf die außenpolitische Expertin Molly K. McKew, die als langjährige Beraterin von Mikheil Saakaschwili, dem ehemaligen Präsidenten von Georgien, einen tiefen Einblick in Putins Russland hat. Sie sagt, dass Putin vor allem auf eine "instabile neue Weltordnung des 'alle gegen alle' abzielt " und "demokratische Regimes nach westlichem Stil durch illiberale, populistische oder nationalistische Regimes ersetzen will." Nachdem er sein eigenes Land fast in Konkurs getrieben hat, indem er  durch Korruption Reichtümer in Milliardenhöhe für sich selbst anhäufte, hat Putin keine andere Wahl, als der Welt außerhalb Russlands sein eigenes Bild zu aufzudrücken. 
[ Den interessanten Artikel von Molly McKew kann ich jedem empfehlen - Putin's Real Long Game - ich werde ihn asap übersetzen.  ]

Britische Meisterspione im Dienst des KGB


Kim Philby und die Gruppe der Cambridge Spione wurden auf diesem Blog schon einmal erwähnt, als der neue Roman von John Le Carré besprochen wurde.
Was hat George Smiley mit den USA zu tun?
Bibliographische Anmerkungen zu dem einzigartigen und vergriffenen Buch stehen am Ende des Beitrags. Die Seitenzahlen in folgenden Text beziehen sich auf die deutsche Ausgabe dieses Buches.

Was können wir aus diesen Affären lernen?


Regierungen schwindeln: Macmillans Erklärung im britischen Parlament 1955 und Heaths Erklärung im Jahr 1963 waren sorgfältig abgesprochen. Beide behaupteten, Philby habe 1951 "seine Stellung im Foreign Office aufgegeben". Das war irrelevant, weil Philby dort eine Scheinstellung hatte, in Wirklichkeit aber Beamter des Secret Intelligence Service war.  Uneingeweihte mussten den Eindruck gewinnen, dass Philby 1951 aus dem Dienst der britischen Regierung entlassen worden war.  Philby überstand 1952 einen Geheimprozess und arbeitete bis 1963 für den KGB. (S. 250ff) Er floh nach Moskau, wo er 1988 ein Staatsbegräbnis erhielt.

Leider wurde auch der Leiter der CIA - Spionageabwehr J. Angleton getäuscht, der mit Philby befreundet war, als der in Washington Verbindungsmann des MI6 zum CIA war. Der SPIEGEL nannte Angleton damals paranoid und Philby einen "imaginären CIA Maulwurf": Hetzjagd auf ein Hirngespinst

Geheimdienste schwindeln. Sie beschwindeln natürlich ihre Gegner, aber sie beschwindeln auch eigene Geheimdienste, weil sie einander misstrauen. Sie beschwindeln Regierungen, die eigene und befreundete. (S. 127, Das Kapitel "Die Geheimwelt" und viele andere Stellen). "Die verfassungmässige Kontrolle der Geheimdienste ist weitgehend eine Illusion oder einfach unklug, denn wenn sie gut sind, lassen sie sich nicht in die Karten sehen, und wenn sie schlecht sind, führen sie sich selbst an der Nase herum." (Vorwort von John Le Carré, S. 24)

Regierungen und Geheimdienste sind interdependent. "Kein Geheimdienst kann klarere Konzeptionen haben als seine Regierung. Alles hängt davon ab, dass die Erfordernisse klar umrissen werden, und zwar von denen, die die Richtlinien der Politik bestimmen. Wenn ein Geheimdienst richtig eingesetzt wird, ist er ein verlängerter Arm, ein Instrument der Politik der Regierung. In Zeiten der Mutlosigkeit und  allgemeinen Korruption, gleitet er jedoch bald ab in den Bereich von Intrigen, sträflicher Nachlässigkeit und internen Rivalitäten." (ebd.)

Geheimprozesse bringen gar nichts. Im Sommer 1952 fand ein "geheimes Verfahren" gegen Philby statt "und war für alle Beteiligten außer Philby ein riesiges Fiasko. Seine Gegner hatten Pech. Philby, [der beim MI6 arbeitete], sagte sich einfach: wenn der MI5 noch Fragen stellte, tappt er noch im dunkeln. Und so leugnete er vom Anfang bis zum Ende und gab nichts zu. Wer etwa annahm, dass juristische Haken und Winkelzüge ihn in die Knie zwingen würden, wurde bald eine Besseren belehrt." (S. 255). Philby war ein geübter Stotterer und Schwadroneur, was ihm Zeit zum Überlegen verschaffte und den Rhythmus eines Kreuzverhörs völlig zerstörte.

Geheimdienste sind nicht verborgen, sondern sichtbarer Teil der Gesellschaft. "Die Geheimdienste haben es versäumt, Philby zu überwachen; ebenso haben auch die Regierung und wir, die Gesellschaft ganz allgemein, es versäumt, den Geheimdienst zu überwachen. Es waren unsere Politiker, die für ihn durchs Feuer gingen, unsere Redakteure, die auf seinen Wunsch hin Tatsachen verschwiegen, unsere Universitätslehrer, die ihm Helferdienste leisteten und ihm Mitarbeiter zuführten; und es waren unsere Premierminister, die ihn in Schutz genommen haben." (S. 24) 

Philby hat 1981 ostdeutschen Stasi-Agenten erklärt, dass er nicht erwischt wurde, weil er ein "Mitglied der herrschenden Klasse" war. Britische Agenten seien undisziplinierte und unfähige Schwachköpfe der herrschenden Klasse; er hätte gewusst, dass sie ihn niemals hart anpacken würde. Vgl I got away with treachery because I was 'upper class'.

Dem Leser werden einige Ideen über Parallelen aufgeblitzt sein. Der KGB hat 1994 Teile seines Archivs geöffnet, die literarisch und filmisch verarbeitet wurden. Aber die Russen sind die einzigen, die alle Details kennen und die ruhige Gewissheit haben, dass sie auch heute davonkommen werden, weil sie in der Vergangenheit davongekommen sind. [ Vielleicht lesen Sie "CIA: Kunst der Spionage" im Blogheader und meinen Beitrag USA: Westliche Geheimdienste misstrauen dem Präsidenten ] 

Bibliographische Anmerkungen


Einige deutsche Exemplare (Rowohlt 1968) gibt es in Antiquariaten. ( Die englische Ausgabe Philby - The Spy who Betrayed a Generation wurde 1968 bei André Deutsch London verlegt.) Zeitgenössische englische Literatur zu Philby und den Cambridge - Spionen ist auch im Online - Handel vorhanden. 

Dieses Buch ist nicht nur wegen des Vorwortes von John Le Carré einzigartig. Die Autoren haben mit Unterstützung der Sunday Times einige hundert Interviews mit Diplomaten, Politikern, Beamten der Nachrichtendienste und einfachen Bürgern durchgeführt. Dabei hatten sie mit der fortdauernden Missbilligung amtlicher Stellen zu kämpfen. So entstand das m.E. beste Buch über eine 1934 bis 1963 andauernde Schlappe, die der KGB den britischen und US - Geheimdiensten zugefügt hat. 

Ich will das Buch nicht besprechen - dazu würde hier auch der Raum fehlen. Darum verweise ich auf eine Filmdokumentation,  die einen guten Einstieg vermittelt: Gentlemen im Dienste Stalins


Aktueller Update 11.06.2017 18:15


Kommentar, 10.06.2017 von Thilo Kößler, Deutschlandfunk

Nach der Comey-Anhörung: Die USA im Widerstreit zwischen Wahrheit und Lüge

Donald Trump sieht sich wieder einmal als Sieger. Durch die Aussagen James Comeys fühle er sich vollauf rehabiliert, ließ er über Twitter wissen. 

Realitätsfern wird Donald Trump immer dann, wenn er sich in der Defensive sieht. Tatsächlich sind die Probleme für Donald Trump mit der Anhörung James Comeys eher größer geworden als kleiner. Comey schilderte die die Versuche des Präsidenten, das laufende Ermittlungsverfahren zu beeinflussen – und lieferte damit Sonderermittler Mueller eine Steilvorlage für Ermittlungen in Sachen Behinderung der Justiz. Von wegen: die Lage hat sich für Donald Trump entspannt. Das war kein guter Tag für den Präsidenten.

Doch nicht nur deshalb könnte diese Anhörung des geschassten FBI-Chefs zum Teil eines Lehrstücks werden, in dem es um viel Grundsätzlicheres geht als um die Frage: Wer sagte wann was? Es geht um Aufstieg und Fall. Um Lüge und Wahrheit. Um Macht und Ohnmacht. Letztlich um die Frage, welches Weltbild, welche Gesellschaftsordnung sich durchsetzen wird: Die wertegeleitete, auf moralischen Fundamenten gebaute liberale Gesellschaftsordnung der offenen westlichen Demokratien, in denen noch immer die Stärke des Rechts gilt. Oder die skrupellose, ausschließlich interessenorientierte, sozialdarwinistische Gesellschaftsordnung der Autokraten vom Schlage Putins, Erdogans oder eben: Trumps, die dem Prinzip des Rechts des Stärkeren folgen. Aus dem sich konsequenterweise das Recht auf Lüge ergibt.

Zu sehen war also ein Mann, der einen tiefen Fall hinter sich hatte – die Entlassung aus dem Amt des FBI-Chefs, die Denunzierung als „Aufschneider“ und „Angeber“ durch den Präsidenten, die Diffamierung als unfähiger Behördenleiter, der das FBI ins Chaos stieß. Zu sehen war James Comey, der um seinen persönlichen Ruf kämpfte, aber auch um die Reputation seiner Mitarbeiter, seines Amtes und der Institutionen des Rechtsstaates insgesamt. In aufrechter Haltung, konzentriert und bestechend ehrlich war Comey um Wahrheit bemüht. Der Respekt, der ihm aus dem Kreis der Senatoren im Geheimdienstausschuss entgegenschlug, war nicht gespielt. Unser Land braucht mehr solcher Leute wie Sie, sagte ausgerechnet ein Republikaner. Den Wettstreit um Glaubwürdigkeit hat James Comey klar gewonnen.

Für Donald Trump hingegen war die Anhörung Comeys ein moralisches Waterloo – noch nie ist Trump so konzise als Lügner, als Trickser, als Intrigant und prinzipienloser Machtmensch entlarvt worden wie in dieser Anhörung James Comeys. Jetzt sammelt Donald Trump seine Truppen, die James Comey wegen seiner Leaks juristisch verfolgen sollen. Der Wille zur Vernichtung seiner Gegner mag übermächtig sein. Dabei hat Trump noch gar nicht erkannt, wie dunkel die Wolke wirklich ist, die da über seiner Präsidentschaft hängt.

Noch ist das letzte Wort in diesem Drama nicht gesprochen. Die Schlussszene steht noch aus. Erst dann werden wir wissen, auf welche Seite der Macht sich die Geschichte schlägt: Auf die Seite der Autokraten. Oder auf die Seite der Demokraten. Auf die Seite der Lüge. Oder auf die Seite der Wahrheit.

1 Kommentar:

  1. Ich habe noch nicht alle Verweise gelesen, die weitere Hinweise der Zusammenhänge liefern... Also soweit ich es verstehe, geht es um weit mehr als um Aufstieg und Fall. Ich weiß auch nicht, ob es um Lüge oder Wahrheit geht. Es geht um die Strukturen in einer Demokratie, die von einigen Schlüsselpositionen gelenkt werden, die durch fremde, hinterlistige Konzepte beeinflusst und in die Irre geführt werden (können). Das paranoide Personen in solchen Positionen sitzen können, zeigt uns auch die Geschichte von Edgar Hoover. Mir stellt sich die Frage, warum solche - für mich - Psychos, solch eine Stellung in unserer Lebensgemeinschaft auf der Erde erlangen. Einerseits wird Globalisierung befürwortet, dies im wirtschaftlichen Fortschrittsgedanken, was fehlt ist ein wirklich globales Denken und Handeln. Wir sind Menschen, wir sind Teil eines wunderbaren Planeten. Es gibt nur diesen für uns. Und das ist die Wahrheit.

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